Die Winterreise Soirée Nataša Mirković - Matthias Loibner 19 / 1 / 2019

Der Blumen im Winter sah
Die Enttäuschung und den Wunsch nach Erfüllung in beiden Händen festhaltend – dieses Bild innerer Zerrissenheit offenbart sich in den Worten Müllers und in der Vertonung Schuberts in Müllers Todesjahr 1827. In einer einmaligen Seelenverwandschaft tauchten beide ihre Sehnsucht in ihre Kunst, um auf zwei Wegen Eines zu sagen. Ein unisono der Gefühle fließt in jedem Vers und in jeder musikalischen Phrase. Die Idee des Grazer Regisseurs Ernst M. Binder weckte in mir eine Begeisterung und eine unwiderstehliche magische Anziehung, diese Reise durch diesen Winter der Gefühle anzutreten. Und schon nach wenigen Worten Müllers und einigen von Schuberts Tönen entstand das Bedürfnis, diese Gefühle fragil und nackt und von unnötigem Schmuck befreit zu erzählen um so dem Zuhörer mit der Stimme als Spiegel zu dienen, und ihn teilhaben zu lassen an der intimen Kommunikation zwischen Müller und Schubert, die im ganzen Zyklus einmalig aus der Tiefe leuchtet.
Mein Herz sieht an dem Himmel
Gemalt sein eig’nes Bild –
Es ist nichts als der Winter,
Der Winter kalt und wild !
aus „Der stürmische Morgen“
Nataša Mirković
Drüben hinterm Dorfe
„Wunderlicher Alter! Soll ich mit Dir geh’n?
Willst zu meinen Liedern deine Leier drehn?“
aus „Der Leiermann“, Schluss der „Winterreise“
Die Verbindung von Schuberts Winterreise zur Drehleier entstand ganz selbstverständlich durch den „Leiermann“, der im letzten Lied des Zyklus zumeist als Sinnbild für Wahnsinn,Tod und Erstarrung verstanden wird. In den Texten Wilhelm Müllers faszinierte mich von Anfang an die ständige Flucht des lyrischen Ichs vor der inneren Zerrissenheit in eine (Todes- und Liebes-) Sehnsucht, deren reale Unstillbarkeit in Schuberts Vertonung erahnbar wird. Als „Leiermann“ war ich bei der Herausforderung, die zahlreichen vor allem harmonischen Nuancen dieser musikalischen Ahnung zu interpretieren, von vornherein zum Scheitern verurteilt. So wird das Ende der Winterreise zum Ausgangspunkt und rückt damit die Unerfüllbarkeit und Einsamkeit in den Vordergrund dieser Fassung für Gesang und Drehleier.
Ging nur die dritt‘ erst hinterdrein!
Im Dunkeln wird mir wohler sein.
aus „Die Nebensonnen“
Matthias Loibner